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Samstag, 24. Januar 2015

Berufe-Universum in neuem Look: bloße Kosmetik

Sehnsüchtig erwartet habe ich das angekündigte neue "Berufe-Universum" und bin gründlich enttäuscht: Nichts als Kosmetik.



Es bleibt dabei, dass nur Ausbildungsberufe als Ergebnis angezeigt werden.

Die Schülerinnen und Schüler, die beim Abschluss "Abitur" angeben, bekommen diesen Hinweis zu lesen:

Hinweis für Schüler/innen an Gymnasien:

Das Selbsterkundungsprogramm ist für Schüler/innen konzipiert, die den Hauptschulabschluss oder einen Mittleren Schulabschluss machen möchten bzw. haben.
Wenn du Abitur bzw. die (Fach-)Hochschulreife anstrebst bzw. hast und das BERUFE-Universum trotzdem kennenlernen möchtest, erhältst du die Ergebnisse, die auch Schüler/innen mit Mittlerem Schulabschluss erhalten.

Auf die Idee, es könnte eine Realschülerin sein, die das Fachabitur oder das Abitur anstrebt, kommt man nicht. Oder? Ich frage mich, an welchen Schulen diese Tests evaluiert werden?

Mit der Realität der Berufsorientierung an Realschulen und Gymnasien hat das wenig zu tun. Eine Zuweisung: Realschule: Ausbildung; Gymnasium: Studium ist nicht mehr zeitgemäß.

Einerseits streben sehr viele Schüler der Realschule das Abitur oder das Fachabitur an, andererseits wird der Auftrag an uns Lehrer, auch für die Gymnasialschülerinnen und -schüler Berufsorientierung ab der 8. Klasse zu betreiben, schlicht ignoriert.

Die Arbeitsagentur ignoriert die Motivation und Aspiration der Mehrzahl der Schüler.

Wir Lehrer haben den Schwarzen Peter.

Über Umwege muss ich meine Gymnasialklassen und meine Realschüler zu einem für sie befriedigenden Testergebnis führen: Über das berufenet ermitteln wir auch akademische Berufe, so dass die Schülerinnen und Schüler neben ihrem Ausbildungsberufsergebnis auch Berufe finden, die ihren Interessen entsprechen.

Ich frage mich, welche Interessen ich hier als Lehrer zu befriedigen habe? Es sind offensichtlich in nicht unerheblichem Umfange nicht diejenigen der Schülerinnen und Schüler und ihrer Eltern.

Warum ist es nicht möglich, Ergebnisse sortiert nach verschiedenen Bildungsniveaus auszugeben wie etwa im Explorix-Verfahren codiert von 0 bis 4:

0 Ausbildung nicht geregelt oder nicht erforderlich
0 (2,3,4 usw.) nicht geregelt, aber üblicherweise eine dieser Ausbildungen
1b Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf nach Berufsbildungsgesetz (betriebliche Lehrausbildung)
1s Ausbildung an einer Berufsfachschule, Fachschule oder Fachakademie (in der Regel nach Landesgesetz geregelt, aber häufig auch privat)
1c Beamtenlaufbahn im öffentlichen Dienst (hier sind alle Niveaustufen enthalten: einfacher Dienst, mittlerer Dienst,gehobener und höherer Dienst)
2 geregelter Fortbildungsberuf
3 Fachhochschulstudium (FH)
4 Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule/Universität (hierunter sind auch alle akademischen Berufe, die eine weitere Fortbildung voraussetzen, eingestuft, z.B. Wirtschaftsprüfer oder Facharztausbildungen)
f Funktion: Zu diesen Berufen gibt es keine gleichnamige Ausbildung, man übt sie mit verschiedenen Vorbildungen aus.



Weitere Informationen aus dem Datenreport des Berufsbildungsberichts 2013:

Realisierte Bildungs- und Berufswege von Schulabgängern und Schulabgängerinnen im Herbst 2012 (in %)



37% der Realschüler gehen in eine betriebliche Ausbildung. 30% gehen weiter zur Schule. 14% der Gymnasiasten gehen in die betriebliche Ausbildung. 48% studieren. Zudem: Zu den Besuchern weiterer schulischer Bildungsgänge und den Studenten kommen nach meiner Einschätzung noch eine ganze Reihe der in der Rubrik "Sonstiges" aufgeführten SuS.

Der folgende Artikel aus der Süddeutschen Zeitung spricht für sich:


Fazit: Wir Lehrer benötigen dringend ein kostenfreies Unterstützungssystem, das den Interessen aller Schülerinnen und Schüler und aller Eltern gerecht wird.